Zusammenfassung
Soziale Ungleichheit, so
wird zunehmend behauptet, kehre in die modernen Gesellschaften zurück. Dieser
Trend zeige sich in der Ausweitung von Einkommensunterschieden im späten 20. Jahrhundert
und sei durch den Neoliberalismus, die Globalisierung sowie Einwanderungen zu
erklären . Diese Entwicklung sei eine Wende auf dem langfristigen Weg hin zu
einer zivilisierteren Gesellschaft.
Diese These wird hier in Frage gestellt. Es wird argumentiert, dass
traditionelle Indikatoren der Ungleichheit in verschiedener Hinsicht Defizite
aufweisen und sich nicht aussagekräftig international in Zeitreihen vergleichen
lassen. Deshalb wird vorgeschlagen, Ungleichheit auf eine andere Weise zu
messen, nicht durch Unterschiede bei den in Anspruch genommenen Chancen für ein gutes Leben, sondern durch die Verteilung der tatsächlichen Ergebnissen des Lebens.
Die Ungleichheit innerhalb von Ländern wird durch die Unterschiedlichkeit der
Lebenszufriedenheit der Bürger gemessen. Dazu werden die Standardabweichungen
der Lebenszufriedenheit in den EU-Ländern über die Jahre 1973 bis 1996
verglichen. Im Ergebnis zeigt sich, dass Unterschiede in der
Lebenszufriedenheit kleiner statt größer wurden. Internationale Vergleiche
zeigen darüber hinaus auch eine niedrigere Streuung in den moderneren
Gesellschaften. Der Trend zunehmender Gleichheit scheint also anzudauern. Wenn
die These eines ungleicheren Zugangs zu knappen Gütern zutrifft, dann muss
dieser Trend durch eine Angleichung der persönlichen Fähigkeiten kompensiert
worden sein.