Die Rückkehr der Ungleichheit in die moderne Gesellschaft?
Die Verteilung der Lebenszufriedenheit in den EU-Ländern von 1973 bis 1996

Ruut Veenhoven,Erasmus University Rotterdam und Utrecht University, Niederlande, E-Mail: veenhoven@fsw.eur.nl
In: Wolfgang Glatzer, Roland Habich, Karl Ulrich Maier (Hrgs) Socialer Wandel und Gesellschaftliche Dauerbeobachtung. Festschrift für Wolfgang Zapf Leske + Bundrich, 2002 Opladen, Deutschland, ISBN  3-8100-3368-5, pp.273-294

Zusammenfassung
Soziale Ungleichheit, so wird zunehmend behauptet, kehre in die modernen Gesellschaften zurück. Dieser Trend zeige sich in der Ausweitung von Einkommensunterschieden im späten 20. Jahrhundert und sei durch den Neoliberalismus, die Globalisierung sowie Einwanderungen zu erklären . Diese Entwicklung sei eine Wende auf dem langfristigen Weg hin zu einer zivilisierteren Gesellschaft.
Diese These wird hier in Frage gestellt. Es wird argumentiert, dass traditionelle Indikatoren der Ungleichheit in verschiedener Hinsicht Defizite aufweisen und sich nicht aussagekräftig international in Zeitreihen vergleichen lassen. Deshalb wird vorgeschlagen, Ungleichheit auf eine andere Weise zu messen, nicht durch Unterschiede bei den in Anspruch genommenen Chancen für ein gutes Leben, sondern durch die Verteilung der tatsächlichen Ergebnissen des Lebens.
Die Ungleichheit innerhalb von Ländern wird durch die Unterschiedlichkeit der Lebenszufriedenheit der Bürger gemessen. Dazu werden die Standardabweichungen der Lebenszufriedenheit in den EU-Ländern über die Jahre 1973 bis 1996 verglichen. Im Ergebnis zeigt sich, dass Unterschiede in der Lebenszufriedenheit kleiner statt größer wurden. Internationale Vergleiche zeigen darüber hinaus auch eine niedrigere Streuung in den moderneren Gesellschaften. Der Trend zunehmender Gleichheit scheint also anzudauern. Wenn die These eines ungleicheren Zugangs zu knappen Gütern zutrifft, dann muss dieser Trend durch eine Angleichung der persönlichen Fähigkeiten kompensiert worden sein.

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